PROF. DR. STEFANIE SIELEMANN

Eine Task Force-Powerfrau aus dem Chemielabor

Stefanie Sielemann in Feuerwehr-Ausrüstung

„Wir hatten einen Übungseinsatz mit den Entschärfern der Feuerwehr und wollten abends nur noch ein Bierchen trinken, als es plötzlich hieß: Ab zum Einsatz – eine gefährliche Verpuffung mit Freisetzung von Quecksilber.“

Prof. Dr. Stefanie Sielemann ist promovierte Chemikerin, Professorin, Fachberaterin der Analytischen Task Force der Feuerwehr Dortmund, Mutter – und eine echte Powerfrau. Mit trendigen Boots, einem blonden Pferdeschwanz, einem Nasenpiercing und einem entspannten Lächeln im Gesicht sitzt sie vor uns. Wir sollen sie ruhig „Steffi“ nennen. Selbst beschreibt sie sich als „ehrgeizig, unordentlich und empathisch“. Wäre sie ein Tier, wäre sie ein Elefant. Denn diese haben ein sehr gutes Gedächtnis sowie einen ausgeprägten Familiensinn und sind sensibel, erklärt die Chemikerin. Zusammen mit ihrem Ehemann und ihren zwei Söhnen (12 und 17 Jahre alt) reist sie gerne durch die Welt. Auf die Frage, wo sie sich in 10 Jahren sieht, antwortet sie: „Mit unserem Wohnmobil im Winter in Marokko“. Stefanie Sielemann wirkt strukturiert und dennoch locker, selbstbewusst und dennoch nahbar – und vor allem ab dem ersten Kennenlernen sofort sympathisch.

Die Professorin zeigt uns das Labor der Hochschule Hamm-Lippstadt, in dem sie mit Doktorand:innen und Studierenden an der Weiterentwicklung von Techniken zur Analyse von Proben forscht. Der Fokus liegt dabei auf der Ionenmobilitätsspektrometrie (IMS). Was sich erstmal sperrig und auf gewisse Art verwirrend anhört, lässt sich laut der Professorin leicht erklären: Mit der IMS werden Stoffgemische in ihre Einzelteile zerlegt und untersucht. Im Alltag wird das IMS zum Beispiel am Flughafen an der Sicherheitskontrolle genutzt, um Gepäck auf Sprengstoff zu testen. Neben mehreren IMS-Geräten findet sich in einem Schrank des Labors eine Flut an weißen Kitteln und Labor-Schutzbrillen. Stefanie Sielemann greift in den Schrank und zieht eine unscheinbare Schachtel heraus. Dann präsentiert sie uns einen Gegenstand, mit dem wir gar nicht gerechnet hätten: Mit einem Schwung klebt sie einen Gummi-Dildo ans Fenster. Dahinter stecke ein Studierenden-Projekt, erklärt sie uns. In diesem haben die Studierenden untersucht, ob das Produkt Schadstoffe enthält, die nicht enthalten sein sollen. In diesem Moment wird uns klar, für wie viele Bereiche des Lebens Chemie eine wichtige Rolle spielt.

Den Startschuss für ihr Karriere setzte Steffi1989 mit ihrem Chemie-Studium an der Universität Kassel. Darauf folgten eine Promotion am Leibniz Institut für analytische Wissenschaften (ISAS) in Dortmund, eine Stelle als Post-Doktorandin am Institut für allgemeine Physik der TU Wien und 15 Jahre Anstellung als Leiterin Forschung und Entwicklung für Analytische Applikationen bei der G.A.S.mbH. 2015 führte die Chemikerin ihr Weg an die Hochschule Hamm-Lippstadt. Hier ist sie bis heute Professorin für Instrumentelle und analytische Sensortechnik im Studiengang Umweltmonitoring und Forensische Chemie.

„Chemie ist einfach alles: Umwelt, Forensik, Lebensmittel, unsere Luft… Einfach alles, in dem wir leben.“

„Chemie ist einfach alles: Umwelt, Forensik, Lebensmittel, unsere Luft… Einfach alles, in dem wir leben.“, erklärt die Chemikerin begeistert mit gehobenen Mundwinkeln. Ihre Liebe zur Chemie entdeckte sie schon als Kind: „Für mich ist Chemie die Faszination, Dinge zu verstehen. Zum Beispiel warum sich Kunststoff so krisselt, wenn man ihn erwärmt.“ Auf die Frage, ob es nicht auch manchmal beängstigend sei, die Welt in Molekülen zu sehen, antwortet sie: „Ja, verdächtige nach Lösungsmitteln riechende Fahrrad-Gummigriffe sind für mich zum Beispiel echt unangenehm, wie auch manche Lebensmittel!“ Da helfe es dann, diese Gedanken einfach auszublenden, denn sonst werde das Leben sehr kompliziert. 

Neben ihrer Leidenschaft für ihre Arbeit, brennt sie für ihr Ehrenamt bei der Feuerwehr Dortmund. Mitten im Gespräch steht sie auf und zeigt uns ganz stolz ihre Kluft. Bei der Analytischen Task Force hilft Steffi als Fachberaterin immer dann aus, wenn die „normalen ABC-Kräfte“ nicht mehr weiterkommen – und das nicht nur in „normalen ABC-Fällen“. Anschaulich erzählt sie von einem Sondereinsatz in einem illegalen Drogenlabor und der Festnahme der Drogendealer auf einem Bauernhof. In solchen Fällen untersucht sie direkt vor Ort in einem mobilen Labor wichtige Spuren.

„Weil ich die chemischen Zusammenhänge kenne und weiß, wonach ich schauen muss, finde ich vor Ort Hinweise, ob eventuell ein Gebäude direkt evakuiert werden muss oder welche Messungen noch vorgenommen werden müssen.“

Auch in aufregenden Situationen behält die Wissenschaftlerin einen kühlen Kopf. Sie erinnert sich an ihren ersten Einsatz: „Mit den Entschärfern der Feuerwehr wollten wir nach einem Übungseinsatz noch ein Bierchen trinken, als es plötzlich hieß: Ab zum Einsatz – wir haben eine gefährliche Verpuffung mit Freisetzung von Quecksilber.“

Stefanie Sielemann trägt einen Laborkittel und eine Schutzbrille. Dabei steht sie im Labor und hält ihre Auszeichnung als Westfälische Erfinderin lächelnd hoch.

Doch nicht nur wegen des Nervenkitzels engagiert Steffi sich ehrenamtlich. So unterstützt sie auch die Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft (DLG), welche Lebensmittel prüft, ihre Sicherheit untersucht und Siegel vergibt, mit ihrer ehrenamtlichen Mitarbeit. Darüber hinaus ist es ihr ein Herzensanliegen, den Nachwuchs für Chemie zu begeistern. An Kinder-Unis hält sie daher Vorlesungen, die spielerisch in ihren Fachbereich einführen. Ihre Projekte bleiben dort besonders in Erinnerung. Um Spannung und Neugierde zu wecken, verknüpft sie Chemie mit kriminaltechnischen Untersuchungen, erfindet Mordopfer und lässt Indizien untersuchen. Täter können dann Darth Vader, Gru von den Minions oder Gollum sein, berichtet sie grinsend. Selbst ermittelt sie hier als „Professorin Wichtig“ und ihre jungen Kolleg:innen als Sherlock und Watson. Besonders wichtig sei es hier, neue Ideen zu entwickeln, um den unstillbaren Wissendurst der Kinder am Leben zu halten und ihnen auf Augenhöhe zu begegnen.

Auf Augenhöhe war auch das Gespräch über ihr Leben und ihre Arbeit. Wer Prof. Dr. Stefanie Sielemann trifft, lernt eine kluge, humorvolle und starke Frau kennen – und gewinnt schnell ein neues Vorbild.