PROF. DR. SABINE SACHWEH
„Es ist gut, das karierte Eichhörnchen zu sein“
Ihr dunkelblondes Haar klemmt Prof. Dr. Sabine Sachweh mit ihrer schwarzen Brille aus dem Gesicht. Mit einem vertrauensvollen Lächeln empfängt sie uns im User Innovation Center (UIC) in Dortmund. Eine heimische Wärme umgibt den Raum. Der Anhänger an ihrem Büroschlüssel verrät schnell, dass ihre Arbeit für sie mehr ist als ein Job. „Zweitwohnsitz“ – steht auf einer grauen Filzschlaufe geschrieben. Den Anhänger hat die gebürtige Hernerin von ihren beiden Kindern geschenkt bekommen. Ihr Büro ist eher ein zweites Zuhause für sie – sie ist gerne dort. Nicht, weil sie muss, sondern weil es Spaß macht. Sabine Sachweh hat ihr Hobby zum Beruf gemacht.
Von 1987 bis 1992 studierte sie Informatik mit dem Nebenfach BWL an der Technischen Universität Dortmund. Nach verschiedenen Stationen als wissenschaftliche Mitarbeiterin, ihrer Promotion und Anstellungen in Unternehmen und an einer Fachschule, wurde sie 2006 als Professorin für Softwaretechnik an der Fachhochschule Dortmund berufen. Hier ist sie nicht nur durch ihre Vorlesungen und die Mitarbeit an Forschungsprojekten bekannt: 2016 wurde sie für ihre Arbeit mit dem Forschungspreis der FH Dortmund ausgezeichnet. Ebenfalls seit 2016 ist sie Gründungs- und Vorstandsmitglied des Instituts für die Digitalisierung von Arbeits- und Lebenswelten (IDiAL), das sich unter anderem mit Logistik und Robotik, Mobilität, Nachhaltigkeit und demografischem Wandel beschäftigt. Seit 2017 ist sie zudem dessen erste Sprecherin. Und auch das UIC, in dem wir uns heute treffen, baute sie mit auf. – Um nur einige Beispiele der Arbeit der viel engagierten Professorin zu nennen.
Doch es war nicht immer einfach, sich in einer „Männerdomäne“ durchzusetzen, erinnert sich die Informatikerin:
„Wir waren knapp 500 Studierende im Studiengang Informatik, und Frauen waren deutlich in der Unterzahl. Auch in meiner Lerngruppe war ich die einzige Frau.”
An eine Prüfungssituation erinnert sich die Professorin für angewandte Softwaretechnik ganz genau. Es war ihre allerletzte mündliche Prüfung: Eine ungeschriebene Regel besagt, Studentinnen sollten in einem bestimmten Outfit erscheinen: enge Röcke, Blazer und eine Bluse, die im besten Fall nicht ganz zugeknüpft ist. Doch die Studentin wollte sich dem nicht beugen: „Ich bin so gekommen, wie ich mich wohl gefühlt habe. In einem grünen Pulli, in Jeans und mit meinem braunen Lederrucksack. Das fand der Prüfer damals nicht so toll.“ Sie lehnt sich in ihrem Schreibtischstuhl zurück und schmunzelt: „Er ritt 15 Minuten auf einer unglücklichen Formulierung herum, anstatt weitere Fragen zu stellen. Da ich – wie meine Oma es nennen würde – schon immer burschikos war, fragte ich ihn: „Wollen Sie noch weiter auf meiner Aussage herumhacken oder mich gleich durchfallen lassen?“ Da ist ihm fast die Kinnlade heruntergeklappt. Ich habe bestanden. Der Prüfer gab sich überrascht, dass ich doch so viel wusste.“ Bis heute erinnert sie sich genau an diese Situation, die Einfluss auf ihre gesamte Zukunft hätte nehmen können.
„Trau dich ruhig, die Dinge zu realisieren, die du realisieren möchtest – auch wenn du das Gefühl hast, gegen den Strom zu schwimmen.“
Wenn sie mit ihrem früheren Ich sprechen könnte, würde Sabine ihr sagen:
Das ist oft das Gefühl, welches man hat: „das karierte Eichhörnchen“ zu sein. Genau das muss man überwinden, weil manchmal anders zu sein, einfach gut ist.“
Als Gründungs- und Vorstandsmitglied des IDiAL widmet sich Sabine Sachweh heute unter anderem dem Schwerpunkt der verantwortungsvollen Technologieentwicklung: „Für gewöhnlich wird eine Softwarelösung entwickelt, um ein Problem zu adressieren. Häufig liegt der Fokus auf Nutzer:innen und weniger auf Nicht-Nutzer:innen oder den Leute, die sich Sorgen machen.“, sie fährt sich durch ihr Haar, „Heutzutage ist es aber wichtig, dass man bei verschiedenen Lösungen auch diese Leute mitnimmt, weil sie ansonsten gesellschaftlich ausgeschlossen werden. Leute die älter sind, sehen die Banken verschwinden oder sogar ihre Ärzt:innen.“ Es gibt immer mehr Online-Medizin – für diese Menschen verschwinden die Dinge nur, sie sehen den digitalen Teil nicht. In der Regel können oder wollen sie damit nicht umgehen. Für Sabine Sachweh sind digitale Souveränität, Selbstwirksamkeit sowie digitale und reale Freiheit, wichtige Güter –für die sie mit ihrer Arbeit den Weg ebnen möchte.