KATHARINA PINS
Von Jura zum Traum in Weiß
(c) Conny Di Pasqua
Wie wird man Pionierin im Bereich Brautmode? Eine klare Antwort auf diese Frage hat Katharina Pins nicht parat. Denn dass sie eines Tages ein Brautmodengeschäft führen, geschweige denn die ganze Branche mit ihren innovativen Ansätzen neu denken würde, hätte sie selbst bis vor wenigen Jahren niemals gedacht. Doch seit August 2022 ist das die neue Realität der Wanne-Eicklerin. In ihrem Brautmodegeschäft in Herten kann man Brautkleider mieten — damit ist sie eine von Wenigen in Deutschland. Denn die Umsetzung des Mietkonzeptes ist für sie als Geschäftsführerin nicht ganz unkompliziert. Doch Protokolle, Änderungen, Versicherungen, Verträge, Reinigungen und noch mehr Protokolle halten die junge Ladeninhaberin nicht auf. Denn sie ist fest davon überzeugt, dass ihr Mietkonzept die Zukunft der Brautmode ist. Und für diesen Plan brennt die 31-jährige sichtlich. Dabei lief ihr Leben bis zuletzt selten wie geplant.
„Ich bin so oft mit voller Wucht gegen die Wand gelaufen. Und egal wie sehr ich es versucht habe, ich bin nicht durchgekommen. Also entschied ich mich, eine vollkommen andere Richtung einzuschlagen und etwas auszuprobieren, was mir Spaß macht.“
An der Ruhr-Universität Bochum studierte Katharina Jura bis zum ersten Staatsexamen. Denn schon früh stand für sie fest, dass sie in die Fußstapfen ihres Vaters treten und Juristin werden würde. Dann fiel sie durch das Examen und fand nicht die Motivation und Kraft, es wieder zu versuchen. Nachdem sie dieser Misserfolg zunächst nur verunsicherte, stellte sie für sich fest: „Jura ist einfach nicht das, was ich bis zu meiner Rente mal machen möchte!“ So entschied sie sich trotz Stimmen Anderer, sie solle ihre Jurasemester nicht einfach so „wegwerfen“ und sich durch das Examen kämpfen, ihrem Freund nach Wien zu folgen und ein Fernstudium in Wirtschaftsrecht anzufangen.
Die Flexibilität des neuen Studiums ermöglichte es ihr nicht nur, bei ihrem Partner in Wien zu leben, sondern auch einem Nebenjob nachzugehen, dessen Stellenanzeige sie sofort faszinierte — einfach mal etwas ganz Neues: 20h/Woche als Aushilfe in einem Brautmodegeschäft. Obwohl sie selbst zunächst keine großen Hoffnungen schürte, kam nach einem kurzen Bewerbungsgespräch und einem Tag Probearbeiten die Zusage. Als erste und somit einzige Mitarbeiterin bekam sie nicht nur schnell vielseitige Einblicke in die Welt der Brautmode, die Beratung und den Verkauf, sondern auch in die Geschäftsführung: das Ordern von Waren, die Buchhaltung, Personalangelegenheiten wie Lohnabrechnungen und vieles mehr. So konnte Katharina sich schnell einen Überblick über das Geschäft und die Branche verschaffen, Kontakte zu Herstellern knüpfen und die Inhalte ihres Studiums direkt anwenden.
Nach nur einem Jahr der Mitarbeit bekam sie von ihrer Chefin, die gerade die Eröffnung einer zweiten Filiale plante, das Angebot, in dem Geschäft in Wien die Leitung zu übernehmen. Ein Angebot, das Katharina sofort annahm, denn ihr wurde immer bewusster, dass ihr der juristische Weg niemals so viel geben könnte wie die Brautmode. „Das wäre als Zwischenschritt vor der Selbstständigkeit eine willkommene Geschichte gewesen, um Erfahrungen zu sammeln.“, erklärt Katharina. Doch leider machte Corona ihr und ihrer Chefin einen Strich durch die Rechnung. So kam es, dass sie sich erneut einen Plan B überlegen musste. Dass sie bei der Brautmode bleiben wollte, war klar. Wo und wie, das musste sie sich noch überlegen. Gemeinsam mit ihrem Partner zog Katharina zurück ins Ruhrgebiet, wo sie die „Corona-Pause“ nutzte, um ihren eigenen Businessplan aufzustellen.
„Ohne die Möglichkeit in Wien habe ich mir die Entscheidung zu starten einfach schwerer gemacht. Aber irgendwann war ich an dem Punkt, wo ich soweit fertig war, dass mein Businessplan geprüft wurde, ich hatte Finanzierungsgespräche bei der Bank und die waren alle überzeugt und mein Bruder als Unternehmensberater hat auch nochmal drüber geschaut. Ich musste mir quasi an vielen Stellen noch das Okay und Go holen, dass das auch wirklich gut ist, was ich da mache. Ich hatte das für mich im Gefühl, aber ich brauchte noch diese Bestätigung, um dann auch einfach zu springen und zu entscheiden: jetzt unterschreibe ich den Mietvertrag, jetzt bestelle ich Ware und lege los.“, erinnert sich Katharina. Im August 2022 war es dann so weit: Sie eröffnete ihr Geschäft „PINS Brautmode“. Gefördert von dem Sofortprogramm für Westerholt „Watt willlste woanders?“ verwirklichte Katharina ihren Traum in Herten Westerholt.
(c) Conny Di Pasqua
Ein Teil ihrer Vision war ein bis heute eher ungewöhnliches Konzept: die Kleidervermietung. Denn schon in Wien kamen immer wieder Bräute mit der Frage auf sie zu, was sie nach der Hochzeit mit ihrem Kleid tun sollten. „Brautkleider können ja auch wirklich teuer sein, da ist es immer so ein bisschen Kopf gegen Bauch bei der Braut. Dann musste ich den Bräuten immer sagen: `Häng es dir in den Schrank, oder kürz es dir zu einem Sommerkleid, oder du kannst versuchen, es online zu verkaufen.´ Aber das mit dem Kürzen bietet sich auch nicht bei jedem Modell an und der Onlinemarkt an gebrauchten Brautkleidern ist auch wirklich übersättigt. Also so wirklich gut ist das alles nicht.“, erzählt die junge Geschäftsführerin. Da dieses Problem bisher weitestgehend ungelöst ist, wollte sie selbst eine Lösung finden. „Da kam dann so ein bisschen die juristische Seite in mir hoch, dass ich mir dachte: „Hey komm, setz dich mal dran und entwickle mal einen Mietvertrag für ein Brautkleid.“ Und da kam mir mein erstes Studium doch wieder zu Gute, weil mir das gar nicht schwer fiel.“, erzählt Katharina mit Begeisterung. Bei PINS Brautmode kann man deshalb sein Traumkleid mieten — für einen Drittel des Kaufpreises plus Reinigungskosten und Kaution. Bis zu viermal kann ein Kleid so verschiedene Frauen glücklich machen. Obwohl das Verhältnis von Vermieten zu Verkaufen in ihrem Geschäft aktuell noch bei etwa 20:80 liege, sieht Katharina darin die Zukunft. Denn die Vermietung ist nicht nur für die Braut deutlich günstiger, sodass Katharina es viel Frauen ermöglicht ihr absolutes Traumkleid zu finanzieren, sondern auch die deutlich nachhaltigere Lösung. Daher spielt Katharina sogar mit dem Gedanken, langfristig ganz auf Vermietung zu setzen. Dafür möchte sie zunächst für mehr Diversität in ihrem Angebot sorgen, sodass Frauen in verschiedensten Größen und Körperformen bei ihr ein Mietkleid finden.
„Herten ist jetzt nicht die Fashionmetropole.“, erklärt Katharina lachend. Und dennoch: PINS Brautmode zieht Bräute aus ganz Nordrhein-Westfalen an. Katharina erklärt sich ihren Erfolg dadurch, dass viele Bräute für das passende Kleid auch weitere Weg auf sich nehmen. Die Vermietung ist darüber hinaus ihr Alleinstellungsmerkmal. Über Social Media, Zeitungsartikel, ihre Kundinnen und die Begleitpersonen der Bräute hat sich ihr Geschäft schnell herumgesprochen. Heute ist sie erfolgreiche Inhaberin ihres eigenen Brautmodengeschäftes. Dabei war es für Katharina nicht immer ganz einfach, uneingeschränkt auf ihr Bauchgefühl zu hören. Sie beschreibt sich selbst als eine sehr sicherheitsbedachte Person und erzählt offen auch von Ängsten und Zweifeln, die ihr während ihrem Weg in die Selbstständigkeit begegnet sind. Doch heute kann Katharina zufrieden sagen:
„Ich bereue gar nichts und ich habe alles richtig gemacht bis zu diesem Punkt. Ich würde es auf jeden Fall wieder so machen!“
Bei all der Verantwortung die sie als One-Woman-Show trägt, bekommt man nicht den Eindruck, dass sie angestrengt ist. Vielmehr wird deutlich, dass ihr Geschäft ihre Leidenschaft und Selbstverwirklichung darstellt. Nichtsdestotrotz ist ihr dabei bewusst, dass sie der „Motor“ ist — und wenn der nicht läuft, läuft nichts mehr. Daher macht sie an ihren Sonntagen nichts, was mit der Arbeit zu tun hat, schläft aus und genießt ihre Freizeit mit Freund:innen und Familie oder geht zum Sport. Auch den Montag, an dem der Laden Ruhetag hat, versucht sie das Geschäft in den Hintergrund zu stellen und neue Kraft für ihre Arbeit und die Umsetzung ihrer Visionen zu sammeln.
(c) Conny Di Pasqua
Dass sie mit ihrem Geschäft und ihren Ideen eine Pionierin in der Welt der Brautmode ist, scheint ihr dabei gar nicht so bewusst zu sein. Sie tut, was sie tut, aus einer tiefen Überzeugung heraus, sodass ihr Weg, trotz harter Arbeit und viel Zeit und Kraft, ein leichter für sie zu sein scheint. Mit ihrer Geschichte möchte sie vor allem junge Frauen motivieren, ihre eigenen Ideen zu verfolgen und mutig zu sein: „Schreib deine Idee doch mal auf. Hol dir doch mal Zahlen, Daten, Fakten. Dabei sollte man nie blauäugig sein, aber umso wichtiger ist es, ins Tun zu kommen.“