JESSICA KOCHSIEK

Porträt von Jessica Kochsiek

Spielerisch lehren und mitreißen

Ein Fach, dass vermutlich den oder die ein oder andere Schüler:in schon zum Gähnen gebracht hat, ist Jessica Kochsieks Leidenschaft – Latein. Um jungen Menschen ihre Begeisterung näher zu bringen und einen Impuls für innovativen, modernen Schulunterricht zu geben, hat die Gymnasiallehrerin ein Escape-Game für den Lateinunterricht entwickelt.

„Ubi est Issa?

Jesscia Kochsiek empfängt uns mit einem strahlenden Lächeln am Gymnasium Johanneum in Ostbevern. Die junge, offene Lehrerin begrüßt uns herzlich und bietet uns sofort das „Du“ an. Schnell wird klar, sie ist keine Lehrerin, die sich mit gehobenem Zeigefinger über junge Menschen stellt. Sie begegnet ihnen auf Augenhöhe, ihre Schüler:innen sind der 29-jährigen wichtig.

Ihren Kindheitswunsch, Archäologin zu werden, hakte die Religions- und Lateinlehrerin schon während ihrer eigenen Oberstufenzeit ab. Der Job sei ihr letztlich doch zu „rückwärtsgewandt“ gewesen, erinnert sie sich. Viel lieber „möchte sie daran mitwirken, wie die Zukunft gestaltet wird“. So entschloss sie sich, in Münster Religion und Latein auf Lehramt zu studieren. Nach ihrem Studium fand sie ihre heutige Stelle als Lehrerin am Gymnasium Johanneum in Ostbevern.

„Man muss diese Leidenschaft dafür haben, dann macht es auch Spaß. Auch wenn es unendlich viel Zeit gekostet hat.“

Im Rahmen eines Religionsprojektes wurde hier vor zwei Jahren ein Escape Room veranstaltet. Die junge Lehrerin, die in ihrer Freizeit selbst leidenschaftlich gerne Escape Rooms besucht, war sofort angefixt. Für ihr Lieblingsfach, früher wie heute Latein, müsse es auch ein derart modernes Lernerlebnis geben, beschloss sie schnell. Ihr Ziel stand fest: Ihr Fremdsprachenunterricht sollte neu gestaltet werden – mit ihrem eigenen Escape-Game. So setzte sie sich immer wieder nach dem Unterricht zu Hause hin und investierte viele Nachmittage und Wochenenden in ihr Herzensprojekt, „Man muss diese Leidenschaft dafür haben, dann macht es auch Spaß. Auch wenn es unendlich viel Zeit gekostet hat“, blickt sie heute auf den Prozess der Spielentwicklung zurück. Zwischen 50 bis 100 Stunden tüftelte und werkelte sie an ihrer Idee. Während sie uns davon erzählt, leuchten ihre Augen. Sie betont nicht die viele Arbeit, sondern den Spaß daran. Sie sei gerne kreativ und gestalte neue Dinge.

Und all die Arbeit zahlte sich aus: Ihr Spiel, welches in einer großen Schatzkiste daherkommt, stößt bei ihren Schüler:innen sofort auf Anklang. „Ubi est Issa?“, wie das Ergebnis ihrer Arbeit heißt, richtet sich an Siebt- und Achtklässler:innen. Issa ist hier der Name eines Hundes, der im alten Rom wegläuft und wiedergefunden werden soll. Mithilfe von QR-Codes müssen die Schüler:innen Rätsel lösen. Tipps finden sie auf eigens angelegten Internetseiten, aber auch auf Karten und Chips aus der Truhe. Nur wer das passende Latein-Vokabular parat hat, kommt weiter. – Und findet am Ende Issa.

„Zum Teil war es auch echt kniffelig. Man muss schon einiges an Wissen erst einmal wieder hervorkramen.“

Die Schülerinnen Amelie und Roselie, beide 13 Jahre alt, berichten mit Begeisterung von dem Spiel ihrer Lehrerin: „Zum Teil war es auch echt kniffelig. Man muss schon einiges an Wissen erst einmal wieder hervorkramen.“ Bei ihrer Reise durch Rom während des Lateinunterrichts haben sie spielerisch gelernt und ihren Spaß am Fach wiedergefunden. Fragt man sie nach ihrer Lehrerin, fällt der Begriff „mitreißend“. Der Enthusiasmus und die Leidenschaft, die die Lateinlehrerin an den Tag legt, steckt ihre Schüler:innen an.

Ohne sich allzu große Hoffnungen zu machen, schickte die Lateinliebhaberin ihr Escape Game zum Ad Astra – Nachwuchswettbewerb für Latein und Griechisch des Deutschen Altphilologenverbands. Ihre innovative Idee kommt an – „Ubi est Issa?“ gewinnt den ersten Platz. Ein Zeitungartikel in den Westfälischen Nachrichten folgt.

Für ihre Arbeit und Mühe werde sie vor allem mit dem „schönen Lohn“ ausgezahlt, „wenn die Kinder sich im Spiel vertiefen“. Der Gewinn des Preises sei ihr selbst „schon fast ein bisschen unangenehm“ gewesen. Man merkt, dass sie nicht sich selbst, sondern ihre Idee ins Scheinwerferlicht stellen möchte. Über Anerkennung für ihre Arbeit freut sich die Spielentwicklerin, ist jedoch stets bedacht, nicht selber ins Rampenlicht zu geraten. Für die Zukunft hat sie sich vorgenommen, an ihrer Schule ein „offenes Klima“ weiter zu fördern. Das Lernsystem an deutschen Schulen empfindet die Preisträgerin teilweise als „kreativitätsunterdrückend“. In ihrem Unterricht sollen Schüler:innen Raum für die verrücktesten Ideen haben. Als Vorbild können sie sich dabei ihre Lehrerin nehmen, die ihrer Kreativität freien Lauf gelassen hat, an ihre Idee geglaubt und für diese hart gearbeitet hat.