Bis an die Grenze und darüber hinaus
DÉSIRÉE HUBER
Ein offenes, herzliches Lächeln und eine selbstbewusste Haltung. So steht Désirée Huber heute hier vor uns. In einem knallroten Blazer. Eine Business-Frau, die weiß was sie will – diesen Eindruck macht die Ingenieurin für Verfahrungstechnik. Ingenieur:in wollen oft nur Männer werden.
„Wir können nur das Maximale rausholen, wenn wir Risiken eingehen. Dabei auch mal zu scheitern, das kommt halt vor.“
„Als Frau Ingenieurwesen studieren? Das ist doch gar nicht so einfach, mit Mathe!” So zumindest ist das Vorurteil. Genau dieses hat auch Désirée Huber sich anhören müssen – und ist ihrer Berufsentscheidung trotzdem treu geblieben. Selbstbewusst erzählt die Ingenieurin von ihrer Zeit als Studentin. In ihrem Studiengang waren 30 Prozent der Studierenden Frauen. „Eine ganz gute Quote“, findet sie, Von ihren männlichen Kommilitonen wurde die Tatsache, dass Frauen ein Ingenieursstudium belegen, nie in Frage gestellt. „Spätestens bei den Matheklausuren gab es diese Diskussionen nicht mehr – entweder man besteht, oder man besteht nicht.“, erinnert sich die Verfahrenstechnikern. Viel häufiger stelle sie fest, dass Menschen in ihrem privaten Umfeld erstaunt über ihren Werdegang seien.
Ihren Bachelor machte Désirée Huber in Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Hamburg. Darauf folgten zwei Master an der Business School NIT – gleichzeitig. Im Rahmen des MBAs begleitete sie unter anderem mit der Erstellung eines Business-Plan die Ausgründung von X-Spectrum, einem Spinn-off des DESY (Deutsches Elektronen Synchrotron) in Hamburg.
Seit 2016 arbeitet Désirée Huber bei BASF Coatings in Münster. Hier ist sie aktuell als Project Management Specialistin in der Produktion tätig. Unter ihrem Fachgebiet können sich viele zunächst nicht wirklich etwas Konkretes vorstellen. Es geht, vereinfacht erklärt, um Produktionsverfahren. Die Verfahrenstechnik biete eine große Vielfalt an Berufsmöglichkeiten: von der Lebensmittelindustrie bis hin zur chemischen Industrie und zum Projektmanagement sei alles möglich, erklärt Désirée. In ihrem Job bei BASF übernimmt sie heute große Verantwortung. Ab und an Angst zu haben, zu scheitern oder falsche Entscheidungen zu treffen, sei dabei völlig normal. “Wir können nur das maximale rausholen, wenn wir Risiken eingehen. Dabei auch mal zu scheitern, das kommt halt vor.”, erklärt die Projektmanagerin mit selbstbewusstem Lächeln.
Neben ihrer Arbeit trägt die Verfahrenstechnikerin auch im Privaten als Mutter eines anderthalbjährigen Sohnes Verantwortung. Die Elternzeit teilte sie sich mit ihrem Mann – heute gehen beide wieder arbeiten, für die beiden eine Selbstverständlichkeit. Doch gerade hier merkte die Ingenieurin, dass in der Gesellschaft noch klare Rollenvorstellungen herrschen. „Wenn mein Mann mit unserem Sohn spazieren geht und dieser weint, kommt es gern mal vor, dass er von Wildfremden auf der Straße angesprochen wird und Tipps bekommt, wie das Kind zu beruhigen sei. Mir würde das nicht passieren.“, erzählt sie mit einem leichten Kopfschütteln. Ihre Hand geht in Richtung Herz, als sie erzählt, dass es ihr wichtig ist, dass ihr Sohn Frauen und Männer als gleichberechtigt sieht. Denn genau das leben ihr Mann und sie ihm vor.
Den Ausgleich zu ihrer Arbeit findet Désirée im Sport. Gerne fährt sie mit dem Fahrrad zur Arbeit. Oder sie geht laufen: den ein oder anderen Halbmarathon und einen Marathon hat sie schon zurückgelegt. Wenn sie Urlaub hat, verreist sie gerne mit ihrer kleinen Familie. Während der Elternzeit reisten sie ganze zwei Monate mit dem Wohnwagen quer durch Europa, berichtet sie mit strahlenden Augen. Neben ihrer Rolle als Geschäftsfrau ist in ihrem Leben genug Platz für ihre Rollen als Mutter, Frau, Freundin und Hobbyhandwerkerin – um nur einige davon zu nennen. Andere Frauen möchte sie daher ermutigen: „Habt keine Angst. Wer wirklich für etwas brennt und ein ernsthaftes Interesse an etwas hat, wird seinen Weg gehen. Man sollte es einfach ausprobieren. Und wenn man nicht scheitert, dann hat man seine Grenzen noch nicht ausgetestet.“
In der Vergangenheit habe sie mit ihrer selbstbewussten Art schon von Kolleg:innen das Feedback bekommen, zu „dominant“ zu sein, erzählt sie uns. Dass sie eine klare Meinung habe und sich für diese auch einsetze, sei ihr bewusst. Allerdings vermute die Ingenieurin, dass es bei ihr besonders auffalle, weil es eben nicht „typisch weiblich“ sei. Wenn sie derartiges Feedback bekommt, hakt sie deshalb bewusst nach, ob diese „Dominanz“ wohl auch bei einem männlichen Kollegen negativ aufgefallen wäre. „Oft regt diese Frage allein dann schon zum Nachdenken an.“, erklärt Désirée bestimmt.